Testbericht aus "Gitarre&Bass" Heft 11/2006
Es fällt schwer, einen rotierenden Lautsprecher nicht als Leslie zu bezeichnen, aber die Marke Leslie ist nun mal eingetragenes Warenzeichen der Hammond-Suzuki-Gruppe und darf deshalb im Zusammenhang mit anderen Herstellern nicht genannt werden. Aber vielleicht werden in Zukunft diese ganz besondere Art bewegter Lautsprecher statt Leslie öfter einmal Birdie genannt?
Das Leslie Prinzip
Das Herz eines jeden Leslie-Kabinetts ist der rotierende Lautsprecher. Sinn dieser Rotation ist die Erzeugung eines gewissen Vibrato-Effekts, also einer Modulation der Tonhöhe. Leslie machte sich Erkenntnisse zunutze, die dem österreichische Physiker und Mathematiker Christian Doppler 1842 beim Betrachten der Eigenbewegung von Sternen auffielen und die 1845 von dem Physiker Christoph Buys-Ballot mit Schallwellen erweitert wurden. Er postierte dazu mehrere Trompeter sowohl auf einem fahrenden Eisenbahnzug als auch neben der Bahnstrecke. Beim Vorbeifahren sollte jeweils einer von ihnen ein G spielen, während die anderen die gehörte Tonhöhe bestimmen sollten. Damit gelang es Buys-Ballot, den Doppler-Effekt zu bestätigen: Die Veränderung der Frequenz von Wellen jeder Art, während sich die Quelle auf den Beobachter zu oder von diesem weg bewegt. Bei der Annäherung erhöht sich dabei die Frequenz, im umgekehrten Fall verringert sie sich. Das vielleicht bekannteste Beispiel des Doppler-Effektes ist die Tonhöhen-Änderung des Signalhorns bei einem Polizei- oder Krankenwagen. Solange sich das Fahrzeug nähert, erklingt der Ton höher, wenn es sich entfernt, tönt er tiefer als das eigentliche Original. Das gleiche Prinzip greift bei einem rotierenden Lautsprecher: Dreht sich dieser vom Zuhörer weg, wird der Ton tiefer. Kommt er wieder „um die Ecke“ zurück, erscheint er höher. Gleichzeitig beschallt er auch z. B. die jeweils gegenüber liegenden Wände, den diese in Richtung des Zuhörers reflektieren. Dies geschieht zu jedem Zeitpunkt in alle Richtungen des Raumes. Der Zuhörer erfährt somit ein sehr komplexes, lebendiges und physisch spürbares Klangbild, das weit über den normalen Vibrato-Effekt hinaus geht, das unverwechselbar ist und bisher auch von keinem elektronischen Simulator auch nur ansatzweise erreicht wurde.
Rotierende Lautsprecher wurden vor allem für die Orgel oder auch mal für ein Fender Rhodes eingesetzt, aber nicht wenige Gitarristen spielten vorwiegend im Studio auch gerne mal über ein solch spezielles System, wobei viele legendäre Aufnahmen gelungen sind.
Praxis
Es ist schon beachtlich, wie pflegeleicht sich Birdie in ein Gitarren-Setup integrieren lässt. Da mein Amp keinen zweiten Speaker Out besitzt, wird er erst an Birdie, und dann mit einem zweiten Lautsprecherkabel an die gewohnte Box angeschlossen. Sehr praktisch erweist sich auch die Möglichkeit, Birdie komplett auszuschalten – was bei der Verwendung anderer Rotationssysteme längst nicht immer gegeben ist. Man kann so z. B. seinen gewohnten Sound mit dem vergleichen, wenn Birdie aktiviert ist. Denn natürlich verändert solch ein Horn mit seinem Hochtontreiber den Gesamt-Sound der Anlage, auch wenn es sich nicht dreht – es wird halt höhenreicher und crisper im Raum. Wem der Einfluss des Horns zu hoch ist, der hat die Möglichkeit, die Birdie-Lautstärke so einzupegeln, dass sie zu seinem Setup und den damit verbundenen Sound-Vorstellungen passt. Dies gelingt ganz hervorragend, so dass nie ein etwa zu höhenlastiger Plastik-Sound entsteht – im Gegenteil, dieses Horn und sein Treiber verbessern den Klang meiner Anlage, auch wenn sich das Horn noch nicht dreht. Diese Höhen, solange sie nicht dominieren, machen sich in cleanen und angezerrten Bereichen sehr gut, sehr frisch und sehr lebendig. Und selbst voll verzerrt lässt es sich gut nutzen, ohne das es da etwa kratzt oder quäkt. Wer jemals eins dieser alten Keyboard-„Leslie“-Systeme für Gitarre vergewaltigt hat, der wird festgestellt haben, dass die dort verwendeten Hornsysteme sehr oft einfach nur ätzend klangen, insbesondere bei verzerrten Sounds.
Wird nun der Motor durch Druck auf den zweiten Schalter angeworfen, setzt sich das Horn in Bewegung – und schafft mit Leichtigkeit diesen magischen Sound, den man weder mit Worten beschreiben noch mit Elektronik nachbauen kann. Alle Boden- oder 19“-Effekte, von denen es mittlerweile reichlich viele gibt, können nur tendenziell diesen Sound erreichen – aber niemals das physikalische, unmittelbare Erlebnis nachvollziehen, das ein echter Rotations-Speaker erzeugt. Angefangen von lässiger Modulation bei langsamster Rotation bis hin zu diesem wässrigen, blubberigen Sound, der mit der schnellsten Geschwindigkeit erreicht wird, sind natürlich unzählig viele Abstufungen möglich, die z. B. durch ständiges Umschalten von schnell auf langsam entstehen. Die enge Interaktion mit dem Gerät fordert natürlich zu dynamischem Umgang mit der Birdie-Steuerung heraus – bestimmte Stellen bekommen ein schnelles Vibrieren, andere ein langsames und so weiter und so fort.
Birdie arbeitete während der Testdauer absolut zuverlässig, leistete sich keinen Ausfall und verlor auch nichts von seiner Faszination – im Gegenteil, denn: Bewegte Luft ist eben durch nichts zu ersetzen!
Resümee
Schon lange arbeitete Thomas Reußenzehn im Verborgenen an einem perfekten „Leslie“ für Gitarre. Seine Rotations-Systeme für Orgel genießen bereits einen guten Ruf, insbesondere in Kombination mit der hauseigenen Röhren-Vor- und -Endstufe, doch auch diese Systeme waren bisher auch immer groß und schwer. Es wird unserer Meinung nach nicht lange dauern, bis auch das neue Birdie in den Genuss dieses guten Rufs kommen wird. Transportabel, weil leicht und klein; praktisch, weil die passenden Anschlussmöglichkeiten vorhanden sind; sehr gut klingend, weil Reußenzehns Verständnis von Gitarrenanlagen die Konzeption des Birdie geprägt hat, lassen diesen neuen Rotations-Lautsprecher genau zu dem Zeitpunkt auftrumpfen, als längst alle aufgehört hatten, über praktikable Rotations-Systeme nachzudenken. Doch nur das Echte zählt.
Plus
+ Konzeption
+ Klang
+ Praxisbezogenheit
Heinz Rebellius
Der komplette Test ist nachzulesen bzw. downloadbar Gitarre & Bass 11.2006