Reu-O-Grande - Combo Leo 112


Leo Besitzer Billy Gibbons

Leistungen siehe AGB

Auszüge aus Testberichten aus "Gitarre&Bass"

Der Rio Grande ist ein Fluß im Lone Star State Texas, ein Reu-o-Grande-Verstärker kann so authentisch klingen, daß die Vermutung naheliegt, dieser Verstärker käme ebenfalls aus dem Landstrich, in dem der Rhythm und auch der Blues zu Hause sind.

Dabei ist die Heimat der Reu-o-Grande-Amps das schnöde Offenbach, das soviel klassisches Rock'n Roll Appeal besitzt wie meine Oma; genau hier hat Thomas Reußenzehn seit 1968 seine Produktionswerkstatt, in der er neben Gitarrenverstärkern etliche andere Produkte wie z.B. HiFi- Vor- und Endstufen, Kopfhörer etc. fertigt und Verstärker anderer Hersteller nach seinen Ideen modifiziert. Eins jedoch haben alle diese Produkte gemeinsam: sie werden durch konventionelle Röhrentechnik betrieben.

Mit Reu-o Grande bezeichnet Thomas Reußenzehn eine kleine limitierte Serie von Verstärkern, in denen all sein über die Jahre gesammeltes Know-how über Röhrenverstärker und deren Modifikationen zusammenkommen. Die ersten Reu-o-Grande-Amps, damals noch stark modifizierte Marshall-1959-Modelle, wurden bereits 1979 für die Rodgau Monotones gebaut, gefolgt von sporadischen Kleinserien wie z.B. dem Top Chicago Mod. 2 mit eingebauten Übungslautsprechern oder einem 4x 10"-Stereo-Combo.

Minoritäten haben oft ein ungewöhnliches Erscheinungsbild, und so hat sich Reußenzehn nie gescheut, spektakuläre Designs anzubieten. Das Reu-o-Grande Topteil gab es z.B. im knallroten Stoffbezug, SnakeSkin-Imitat, als sog. Spidertop mit gravierter Alufrontplatte etc. Und für seine neueste Kreation, den 112 Leo-Combo, ist der Meister gar auf Safari gegangen.

Konstruktion

Das fast quadratische Gehäuse des Combos ist nämlich mit Leopardenfell - daher "Leo", wie sinnig! - bezogen! Ruhig bleiben, ihr Tierschützer, hier wurde keinem echten Leopard das Fell über die Ohren gezogen, natürlich handelt es sich um ein Imitat, ein Textilstoff, der täuschend echt erscheint und zudem außergewöhnlich stabil ist. Robuste Metallecken, die mit etwas klobig aussehenden Holzschrauben befestigt sind, schützen zudem die acht Ecken des hinten halb offenen Combos. Vier Gummifüsse geben sicheren Halt, ebenso wie der stabile Ledergriff auf der Oberseite des Gehäuses.

Reu-o-Grande Amps präsentieren immer, so der Hersteller, den "puren" Rock'n Roll Sound - und sind demnach so spartanisch wie kaum andere Verstärker auf dem Markt ausgerüstet. Features wie Hall, einen zweiten Kanal oder gar Klangregelung sucht man daher vergebens. Andere legendäre Amps, wie z.B. der Vox Ac30, besitzen im eigentlichen Sinne auch keine Klangregelung. Das Gitarrensignal wird relativ "kurz" über möglichst wenige Stufen und Phasendrehungen hochverstärkt, effektive Klangbeeinflussungen werden nicht in der Vorstufe, sondern in der Endstufe durch aktive Presence- und Cutfilter vorgenommen.

Eine herkömmliche Klangregelung, die meist aus Kondensatorfiltern besteht, beeinflußt den puren Sound dramatisch, es muß dann ein relativ großer technischer Aufwand betrieben werden, um dem Sound die alte Frische zu geben. Da jedoch mit ansteigender Lautstärke die Endstufe des Verstärkers durch den in die Sättigung kommenden Ausgangsübertrager den Sound entscheidend prägt, wurde die Klangregelung einfach weggelassen!

Eine weitere Besonderheit ist die in die Vorstufe integrierte sog. Kathodenfolgerschaltung, die in dem als Fußgerät erhältlichen Daniel D Tubebooster aus gleichem Haus ebenfalls sitzt und schon etlichen Gitarristen bekannt sein dürfte. Die Vorstufe ist deshalb auch mit drei 12 AX7-Röhren bestückt, die erste - eben diese, die für die Daniel D.-Schaltung zuständig ist, ist gegen Mikrofonie mit einer speziellen mechanischen Dämpfungsmaßnahme behandelt worden. Die Daniel D. Schaltungsvariante verleiht dem Vertstärker eine große Dynamik und Sensibilität, die eine Kanalumschaltung fast überflüssig machen - so feinfühlig reagiert die Vorstufe auf das ankommende Gitarrensignal.

Die Gleichrichterfunktion wird nicht wie bei vielen anderen vintage-orientierten Verstärkern durch eine Röhre realisiert sondern durch eine Diodenschaltung. Dies verleiht dem Verstärker eine größere Durchsetzungskraft und einen etwas mittigeren, direkteren Punch. Die natürliche Kompression, die ein Röhrengleichrichter verursacht, wird bei dem Reu-o-Grande in der 25-Watt-Stellung erreicht, die mittels eines Dreifachschalters in Potiform (100,50 und 25 Watt) eingestellt werden kann.

Die Endstufe ist klassich aufgebaut: 1x 12 AX7 und 4x El34 verstärken auf britische Art das in der Vorstufe aufgearbeitete Signal. Alle Röhren werden durch einen integrierten Lüfter bei Betriebslaune gehalten, auch wenn es mal ein bißchen heißer zugeht.

Als Ausgangsübertrager kommt ein hochwertiger Trafo der Baureihe PM-95 zum Einsatz, der Dank 12facher Schachtelung der Wicklungslagen ein hohes Maß an Frequenz-Transformation und Betriebssicherheit garantiert - da geht so schnell keiner in die Knie. Hier knüpft Reußenzehn an die Verstärkertradition Ende der 50er Jahre an, die mit solchen sog. Ultralinearschaltungen mit aufwendigen Ausgangsübertragern seiner Meinung nach den Höhepunkt alter Röhrenschaltungen darstellten.

Ein Wort zur Verarbeitung: Im inneren des Verstärkers sehen wir, daß nach traditioneller Weise die einzelnen Bausteine frei und naturlich von Hand mit Stoff-Silikondrähten verdrahtet worden sind. Eine gute Dynamik und ein satter Ton wird vor allem dadurch erreicht, daß alle wichtigen Bauteile so dicht wie möglich - hier auf einer Fläche von etwa 10 x 10 cm - aufgebaut sind. Aus diesem Grund kommt der Amp intern auch völlig ohne abgeschirmte Leitungen aus, die durch ihre höhere kapazitive Dämpfung einen Höhenverlust und einen matteren Ton verursachen würden, und hat trotzdem einen hohen Störspannungsabstand, d.h., er rauscht nicht mehr als andere Verstärker auch. Alle anderen Bauteile wie Potentiometer, Buchsen und Schalter sind bewährte, robuste Teile, die einen zuverlässigen Eindruck hinterlassen.

Bedienelemente:

Der in dem 112 Leo verwendete Verstärker entspricht dem des Topteils Reu-o-Grande, es handelt sich also um das Chicago Mod. 2. Ähnlich einem AC-30 ist der Verstärker hängend in das Gehäuse eingebaut, die Bedienungselemente sind nach oben ausgerichtet.

Über der Eingangsklinkenbuchse befindet sich ein aktives Soundpoti ähnlich des Cut-Reglers des AC-30, der stufenlos von Höhen/Mitten-dominanten bis hin zu Bass/Tiefmitten-betonten Sounds rüberblendet. Mit den Pre- und Master-Potis werden die Eingangs- und Endlautstärken eingestellt, ein zusätzlicher Presence-Regler - welch Luxus! - wirkt direkt auf den Treiberteil der Endstufe und kann dem Sound, wenn nötig, einen deutlichen Höhenschub verleihen.

Wie oben schon erwähnt, senkt ein Umschalter die nominelle Endlautstärke von 100 auf 50 Watt - hier werden zwei Endstufenröhren abgeschaltet - bzw. auf 25 Watt, die durch zusätzliche Dämpfungslastwiderstände erreicht werden. Zwei kräftige Kippschalter betätigen die On/Off- und Standby-Funktionen - das war's dann aber auch.

Die Anschlussperipherie der Rück- bzw. Unterseite ist ähnlich spartanisch ausgelegt. Neben den beiden Boxenanschlüssen von denen einer durch den integrierten Lautsprecher belegt ist, finden wir die Buchse für den Euronetzstecker, zwei Sicherungshalter und zwei weitere, mit Send und Return beschriftete Klinkenbuchsen, die einen seriellen Einschleifweg darstellen.

Hier wird das mitgelieferte Volumenpedal angeschlossen, das direkt und ausschliesslich die Endstufe des Verstärkers regelt und nicht wie ein vorgeschaltetes Volumenpedal die Eingangslautstärke der Vorstufe bestimmt.

In diesen Weg kann aber auch ein Effektgerät "gehängt" werden, der Hersteller weist aber unbedingt darauf hin, gute Geräte mit dem vorgeschriebenen Normpegel zu verwenden, denn sonst besteht die Gefahr, dass der Sound des Verstärkers in dem Effektgerät stecken bleibt...

Als Lautsprecher verwendet Reußenzehn ein 12"-Aggregat der Firma Eminence, dessen Membran er in einem speziellen ränkeverfahren gehärtet hat.

Praxis:

Die Handhabung dieses Leos scheint denkbar einfach - und richtig, was kann man schon falsch machen, es sind ja fast keine Regler da? Kabel reinstecken und los geht's!

Sind beide Regler für Vor- und Endstufe zur Hälfte aufgedreht, macht sich bei meiner mit Singlecoil-Pickups bestückten Lieblingsgitarre (bei voll aufgedrehtem Volumenregler der Gitarre) ein satter, deutlich angezerrter Sound breit, der sehr dynamisch-lebendig ist.

Der Ton ist richtiggehend dick und rund; ein hervorragender Solo-Sound in einem Blues-Umfeld. Wird der Volumenregler der Gitarre nun etwa auf die Hälfte zurückgedreht, ist der Sound fast völlig clean und dennoch nicht deutlich leiser geworden.

Hier wird zum ersten Mal klar, warum der Hersteller meint, dass eine Kanalumschaltung bei einem Reu-o-Grande nicht notwendig ist. Wenn die Gitarre voll aufgedreht wird, erhält sie gerade den richtigen Schub an Lautstärke, um aus dem Rhythmus- und Begleitumfeld ins Sonnenlicht eines Solierenden treten zu können. Praktisch!

Mit einer Humbucker-bestückten Gitarre ist bereits bei halb aufgedrehten Gain- und Endstufenreglern am Amp eine satte Verzerrung erreicht. Hier wird die Gitarre auch nicht mehr ganz clean, wenn ihre Lautstärke zurückgenommen wird - da müssten wir den Gainregler weiter zurückdrehen.

Doch wir wollen mehr! Ist der Gainregler etwa 3/4 seines Weges aufgedreht, erhalten wir mit der Humbucker-Gitarre einen wunderbar fetten Solo-Sound, der mich irgendwie an die endlosen Soli verschiedener Jazz-Rock-Formationen aus längst vergangenen Tagen erinnert.

Oder liegt's einfach nur an der Spielfreude, die durch die Dynamik und Lebendigkeit dieses Verstärkers vermittelt wird? Meine Bandkollegen haben mir jedenfalls deutlich zu verstehen gegeben, dass wir schliesslich keine Jazz-Rock-Band mit ewigem Gitarren-Gedudel seien, und das ich mich etwas zurückhalten solle...

Die Singlecoil-Gitarre liefert in dieser 3/4-Einstellung am Amp ein stets transparentes und drückendes "Brett", wobei einzeln gespielte Töne ungewöhnlich satt und singend erscheinen. Gewollte Feedbacks und das gezielte Umkippen in Obertöne sind mit diesem Combo eine der leichtesten Übungen.

Die Umschaltung von 100 auf nominelle 50 Watt macht sich subjektiv nur bei hoher Lautstärke bemerkbar. Wird jedoch die 25- Watt-Stellung aktiviert, fährt die Endstufe früher in Ihre Sättigung, der oben beschriebene Kompressoreffekt wird erreicht und gestaltet den Sound weicher und "sahniger".

Letztlich sind alle Sounds, die mit diesen wenigen Reglern einstellbar sind, geprägt durch ihre Frische und Dynamik, egal, welche Gitarre benutzt wird.

Selbst voll aufgedrehtes Gain mit einer Humbucker-Gitarre wird transparent wiedergegeben, nichts matscht und macht dicht.

Resümee:

Mit einer guten Gitarre, die am besten in der Stegposition mit einem ( splitbaren ) Humbucker ausgerüstet ist und über den richtigen Kondensator am Vol- Poti verfügt, der das Absenken der Höhen beim runterregeln verhindert, hat ein Gitarrist mit diesem Reu o Grande 112 Leo ein ultimatives Soundwerkzeug an der Hand, der ihm eine ungewöhnliche Soundbandbreite und - qualität gepaart mit einem puren Röhrensound liefert.

Die traditionelle Bauweise- handmade in Germany - und kompromisslose Konzeption sind die Voraussetzung für einen beeindruckend ausdrucksstarken Sound, der jede Gitarre aufwertet und seinen Schwerpunkt sicherlich im weiten Feld zwischen ROCK UND BLUES findet.

Internationale Sound - und Preisvergleiche braucht der Reu o Grande Combo überhaupt nicht fürchten, und im Fall von Service , Modifikationen etc. ist es sogar durchaus von Vorteil wenn der Hersteller nicht irgendwo am Rio Grande, sondern - wie in diesem Fall- am trüben Main sein Zuhause hat. Leo F. ist tot -lang lebe dieser Leo!

PLUS:

+ äußerst dynamischer Blues / Rock Grundsound
+ Vielseitigkeit ( siehe Text )
+ kompromißlose Konzeption

Respekt grosser Meister, der Leo ist der Beste Amp,
den ich je hatte. Gestern hat er geknurrt, gebissen und geheult.
Sound, Sound, Sound!!!!
sagt Al Frinderman
www.eastsideconnection.de